Tillmann Courth war und ist und bleibt kultureller Schlendrian, Nachbar im Geiste und ein galanter Freund der Kleinkunst.

Die Ältesten kennen ihn noch aus den Zeiten der Rhein-Art, einer selbstverwalteten Kulturzeitschrift, in der Tillmann als Mitbegründer und Kabarettkritiker zur elegantesten Feder seines Genres reifte: Gefürchtet, aber nicht gehasst, schrieb er in lustvoller Hingabe über die Guten und die, die es erst noch werden mussten, tat dies stets mit dem detailverliebten Blick des Conoisseurs und Leckerschmeckers, der auch im Missglückten und Rohrkrepierten das Potential möglicher Schönheit erkannte, wenn es denn vorhanden war. Ein Glück war das und ein Gewinn, solch einen zugewandten Beobachter auf Seiten des Journalismus zu wissen.

Später denn wechselte er selber auf die Bühne und verließ sie nach 10 bemerkenswerten Jahren wieder, ohne aber tatsächlich auf ihr seine Heimat zu finden. Der Kleinkunst blieb und bleibt er als Berater & Regisseur erhalten. Heute schreibt und doziert er mit gleichem Verve (wie weiland über Meines- & Seinesgleichen) über Comics. Vor diesem seinem Werdegang ziehe ich heute meinen extra dafür gekauften Hut. Mit einem Klick auf das Bild geht es zu seiner Website:

Sein aktueller Post befasst sich mit der Frage, ob es gute Horrorkomödien geben kann. Ich erlaube mir, meinen Kommentar hier ebenfalls zu veröffentlichen:

Lieber Till, das ist ein feines Thema, das mir aber eher eine psychologisch-neurologische denn eine filmhandwerkliche Frage stellt: Können Dich Komik und Panik zugleich bewegen?

Während die Pointe mit der unerwarteten Auflösung einer Erwartungshaltung hantiert und der Lachende sich im großen Hahiha entspannt, nährt sich der Horror in seiner Raupenphase von der Verweigerung jedes echten Auswegs, um schließlich als sich entpuppender dunkler Falter die ersten Befürchtungen noch aufs Bösartigste zu übertreffen.

Erleichterung und Spannungsaufbau sind die zwei unterschiedlichen Enden eines gesunden Nervenstrangs. Komik kann Dir helfen, Grauen zu bewältigen, indem es ihm die Unabänderlichkeit seines technischen Ablaufs nimmt. Sie kann das Grauen aber nicht zugleich vergrößern und dabei unversehrt bleiben. Der Spaßvogel, der dem Monstrum die lustige Pointe ins Gesicht schleudert, kurz bevor ihm das Monstrum dann sein eigenes Gesicht abbeißt, wird zum Tod der eben noch lebendigen Pointe.

Da, wo Humor die Intensität von Grauen noch steigert, braucht es im Realen pathologische Lacher: Wenn die Kreatur sich an der Qual ihres Opfers ergötzt, wenn sie in der Enthemmung Freude und Gelöstheit zeigt. „Das Lachen der Täter“ von Klaus Theweleit beschreibt unter diesem Aspekt Anders Breiviks Tat. Der Enthemmte lacht. Auf seinem Planeten ist es ihm ein Freude. Das gesteigerte Grauen des Augenzeugens fusst auf der Neudeutung der Erleichterung: Lachen als das Geräusch, mit dem der letzte Firnis humanistischer Konvention verloren geht. Ist gerade wieder im Kommen, der Spaß.

Manchmal und inmitten eines selbstvergessenen Hupfs plötzlich das Bangen, dass Dich die Schwerkraft nur am eigenen Orte hält, solang Du an sie glaubst. Wenn aber nicht oder Du zweifelst, dann hat der Drift womöglich gar kein Ende. Und im Dreh um Dich selbst, ohne System des Obenuntenrinksundlechts, wirst Du zum heimatlosen Kreiselbrumm, zum Satelliten Tschüssikow, zum Treibgut ohne Reiserück durchs Überall und Nirgendwer.

Gif by marianamachine.com

Der angerostete Riesenofen neben der Bühne knarzt und bollert. Regen prasselt auf das Halbrund der Dachplane, und der Wind testet die Spanten. Die Batterie reicht also doch für das Licht bis über den Schlussapplaus. Zosch ist ein feiner Gastgeber, die Veranstalter vom Bezirksamt sind angenehm interessiert, und die Bühne hat eine Patina wie das liebstgewonnene Kleidungsstück.

Der stimmt, der Ort. Schön, ich komm wieder.

 

 

 

 

 

Je weniger Geld man hat, umso mehr wird es einem zum Thema. Die Taxameter unseres Umfelds sorgen dafür. Mit grabesschwerer Ernsthaftigkeit wird der Mangel angemahnt.

Vergleichbares widerfährt dem Jubilär jenseits der 70er. Je weniger Lebensdauer ihm statistisch bleibt, umso mehr wird er von den Gratulanten daran erinnert. Anders nun aber als beim Geld wird der Mangel hier – im Ritual des Hochlebenlassens  – zugleich erwähnt und verlacht, als handle man mit Freund Hein über den Humor ein Fristgeschenk aus: Auf die nächsten 80 Jahre, hahaha…dass Du wenigstens noch 20 gute Jahre …und wenn es nur 10 sind, Hauptsache, gesund und glücklich.

Selbst dem empathielosesten Stumpf nun leuchtet es ein, dass der Gratulant sich niemals am Tonfall des Rechnungsmahners orientieren sollte: „Wenn Sie binnen 14 Tagen Ihrer Sterbeverpflichtung nicht nachkommen, sehen wir uns gezwungen, Ihren Tod auf juristischem Wege einzuleiten.“

Andersherum vielmehr können Gläubiger freudiges Staunen in die Gesichter ihrer Adressaten zaubern, wenn sie von der trotzigen Zuversicht der Mangelgratulanten zu lernen bereit sind. Ein paar Anregungen für künftige Mahnschreiben: Jetzt haben Sie so lange nicht gezahlt – das schaffen Sie doch noch mal so lang. – Wir vergessen die Summe, damit Sie wenigstens noch 20 gute Jahre… – Hauptsache, gesund und glücklich. Dem eigentlichen Geschäft des Eintreibens mag Milde nun vordergründig abträglich sein. Doch wäre – um in Zungen zu sprechen, die Kaufleute verstehen – die eigene Bilanz nicht wertiger, stünde unter dem letzten Kassenbericht „Shangri La Vergebung“ statt „Moskau Inkasso“?

Zusammengefasst und auch im Sinne des Geburtstagkindes fasse ich zusammen:

Leben bis zum Tod. Tod als Abwesenheit von Angst. Vorher noch Kuchen.

 

Zu meiner nicht geringen Überraschung hat man mir am Hause meiner ersten eigenen Wohnung in der Turmstr. 1 eine Gedenktafel angebracht. Dass mein Name bewusst ausgespart wurde, spielt bereits gekonnt mit meiner natürlichen Bescheidenheit. Den Text spricht denn Bände von mir:

Danke. Ich bin gerührt oder geschüttelt.

Alte schlesischinesische Weisheit:

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Vergiss über den Stolz, das Gesäß in die Bewegung beschleunigt zu haben, aber niemals die Orientierungsrast vor dem letzten: Trittst Du a) ein ins Glück à la Mekong oder b) in die Scheiße süß-sauer?