Lieber Mitmensch,

ach, das war was, vorvorgestern, ein erleuchteter Tag in der Herbstwärme. Die Sonne temperierte mir die Synapsenspalten aufs Glücksvermittlung, Blut wallte mir ins Gekröse und die Randgebiete, das Gemüt erblühte unter Fliederduft und wie vom besten Nektar frisch bestäubt.
Charmant war ich wie zu meinen besten Zeiten (vor einer Woche). Freudig parlierend schritt ich durch die Welt. Hoffnung ummantelte meinen straffen Körper.
Wenn doch nur auch noch andere Menschen im Hinterhof gewesen wären! Ich hätte neue Freunde finden können noch und nochriger. Sammelpunk hätte man mich geheißen, der Glücklichseiende inmitten der Gemeinde der Nichtfeinde, Liebstöckel im Zentrum des wachsenden Brummkreises.
Und diese Freunde – jedweden Geschlechts und aller Couleur selbstredend – hätten uns wiederum neue Mitmenschen hinzu gewonnen. Ideen im Kopf, Zuversicht im Herzen, Stimmzettel in den Hand, so wären wir gemeinsam zur Urne getänzelt. Und schon wäre ich auf dem Thron gesessen. Zeha, die Neue Kindliche Kaiserin. Sogleich hagelte es Dekrete, Pamphlete und Sekrete aus dem Kanzlerinnenamt, dass es dem friedliebenden Universalhumanisten schiere Freudentränen und dem neoliberalen Analfetischisten kalten Angstschweiß aus den dafür vorgesehenen Kanälen perlen ließe.
Kurz: Es geht doch einiges an Möglichkeit verloren, wenn man seine soziale Energie im Kreise von Keinerda präsentiert. Und darum rufe ich Dir zu: Kömm auch Dü!
Am Donnerstag, dem 18.10., um 19.30 Uhr
in das Theater O-TonArt, Kulmer Str. 20a, 10783 Berlin-Schöneberg, Nähe S-Yorckstr.
zu meinem Solo „Nur wenn ich lache“, Karten unter 030 – 37 44 78 12.
Ich lasse eine Kamera laufen. Und wenn dann außer mir niemand sonst da ist, macht das Gutsein kein Geräusch und keine Freude.
In diesem Sinne
Dein
Zeha Schmidtke

Lieber Mitmensch,

wie Dir sicher sofort aufgefallen sein wird, hat Banksy zwei Exemplare seines Schredderrahmens gefertigt: Eines für sein Bild, das zweite für meine neue Website.

Ich kann Dir also nur raten: Komm zu meiner nächsten Aufführung am Do, dem 18.10.18, um 19.30 Uhr, ins Theater O-TonArt, Kulmer Str. 20A, 10783 Berlin. Karten unter 030 – 37 44 78 12.

Wer weiß, ob ich diesmal also nur aus dem Rahmen falle. Und wieviel der Shit danach erstmal kostet.

Dein Zeha Schmidtke, geschnitten oder am Stück

Natürlich könnten wir Ihnen einfach die nüchternen Zahlen präsentieren. Aber sehen Sie: wir leben in einer Zeit, in der das Empfinden immer wichtiger wird, auch für uns Anlageberater. Darum setzen wir auf die emotionale Kraft der Kunst. Wir haben die Analyse Ihres Bankdepots und Ihrer finanziellen Möglichkeiten in einer Installation verbildlicht.

Wenn Sie mir bitte in den Skulpturengarten folgen wollen.

Tillmann Courth war und ist und bleibt kultureller Schlendrian, Nachbar im Geiste und ein galanter Freund der Kleinkunst.

Die Ältesten kennen ihn noch aus den Zeiten der Rhein-Art, einer selbstverwalteten Kulturzeitschrift, in der Tillmann als Mitbegründer und Kabarettkritiker zur elegantesten Feder seines Genres reifte: Gefürchtet, aber nicht gehasst, schrieb er in lustvoller Hingabe über die Guten und die, die es erst noch werden mussten, tat dies stets mit dem detailverliebten Blick des Conoisseurs und Leckerschmeckers, der auch im Missglückten und Rohrkrepierten das Potential möglicher Schönheit erkannte, wenn es denn vorhanden war. Ein Glück war das und ein Gewinn, solch einen zugewandten Beobachter auf Seiten des Journalismus zu wissen.

Später denn wechselte er selber auf die Bühne und verließ sie nach 10 bemerkenswerten Jahren wieder, ohne aber tatsächlich auf ihr seine Heimat zu finden. Der Kleinkunst blieb und bleibt er als Berater & Regisseur erhalten. Heute schreibt und doziert er mit gleichem Verve (wie weiland über Meines- & Seinesgleichen) über Comics. Vor diesem seinem Werdegang ziehe ich heute meinen extra dafür gekauften Hut. Mit einem Klick auf das Bild geht es zu seiner Website:

Sein aktueller Post befasst sich mit der Frage, ob es gute Horrorkomödien geben kann. Ich erlaube mir, meinen Kommentar hier ebenfalls zu veröffentlichen:

Lieber Till, das ist ein feines Thema, das mir aber eher eine psychologisch-neurologische denn eine filmhandwerkliche Frage stellt: Können Dich Komik und Panik zugleich bewegen?

Während die Pointe mit der unerwarteten Auflösung einer Erwartungshaltung hantiert und der Lachende sich im großen Hahiha entspannt, nährt sich der Horror in seiner Raupenphase von der Verweigerung jedes echten Auswegs, um schließlich als sich entpuppender dunkler Falter die ersten Befürchtungen noch aufs Bösartigste zu übertreffen.

Erleichterung und Spannungsaufbau sind die zwei unterschiedlichen Enden eines gesunden Nervenstrangs. Komik kann Dir helfen, Grauen zu bewältigen, indem es ihm die Unabänderlichkeit seines technischen Ablaufs nimmt. Sie kann das Grauen aber nicht zugleich vergrößern und dabei unversehrt bleiben. Der Spaßvogel, der dem Monstrum die lustige Pointe ins Gesicht schleudert, kurz bevor ihm das Monstrum dann sein eigenes Gesicht abbeißt, wird zum Tod der eben noch lebendigen Pointe.

Da, wo Humor die Intensität von Grauen noch steigert, braucht es im Realen pathologische Lacher: Wenn die Kreatur sich an der Qual ihres Opfers ergötzt, wenn sie in der Enthemmung Freude und Gelöstheit zeigt. „Das Lachen der Täter“ von Klaus Theweleit beschreibt unter diesem Aspekt Anders Breiviks Tat. Der Enthemmte lacht. Auf seinem Planeten ist es ihm ein Freude. Das gesteigerte Grauen des Augenzeugens fusst auf der Neudeutung der Erleichterung: Lachen als das Geräusch, mit dem der letzte Firnis humanistischer Konvention verloren geht. Ist gerade wieder im Kommen, der Spaß.